Thema: Menschen | Datum: 27.03.2023

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Filialleiter und Notfallseelsorger in Personalunion

Jörn-Rainer Klimmeck hat die ideale Kombination für sein Leben gefunden: Dank eines Teilzeitmodells kann er sich neben seinem Job als Filialleiter sozial engagieren und findet noch genügend freie Zeit für regelmäßige Marktbesuche mit seinem Hund.

Wolfenbüttel, 8 Uhr morgens. Wie jeden Mittwoch schlendert Jörn-Rainer Klimmeck mit seinem Hund Buffet über den Markt. An vielen Ständen bleibt er stehen, kauft regionale Produkte und unterhält sich mit Bekannten. Was viele nicht wissen: Der entspannte Markt-Stammgast ist Filialleiter bei der TARGOBANK in Goslar. Seit 6 Jahren arbeitet er jedoch in Teilzeit – und nutzt seinen freien Mittwoch für Marktbesuche mit Buffet und für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Notfallseelsorger bei der Berufsfeuerwehr Salzgitter.

Ein Stopp am Stand der Landschlachterei gehört für Hund und Herrchen fest zum Programm.

 

„In der Bank haben wir vorwiegend mit Finanzen zu tun. Das ist eine gute und wichtige Arbeit. Aber ich hatte gemerkt, dass andere Aspekte in meinem Leben zu kurz gekommen sind“, stellt er fest. Einer davon war sein Engagement im sozialen Bereich. Deshalb hat sich Jörn-Rainer Klimmeck zum Notfallseelsorger ausbilden lassen und übernimmt jetzt mittwochs, am Wochenende und an Feiertagen Bereitschaftsdienste.

Viele Einsätze im Jahr 2022

Notfallseelsorger*innen kommen zum Einsatz und bieten psychologische Betreuung an, wenn zum Beispiel jemand miterlebt, wie im häuslichen Umfeld eine Person verstirbt oder wenn die Polizei jemandem die Nachricht überbringt, dass ein Familienmitglied bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. „An Weihnachten hatte ich einen Fall, bei dem ein Mann, der erst kurz zuvor nach einer größeren Operation aus dem Krankenhaus entlassen worden war, zu Hause zusammengebrochen und gestorben ist. Seine Frau und seine Tochter hatten ihn in den zwei Wochen davor rund um die Uhr betreut und nur einmal kurz aus den Augen gelassen…“, erzählt Jörn-Rainer Klimmeck.

In seiner Freizeit ist Jörn-Rainer Klimmeck in Salzgitter und Umgebung als Notfallseelsorger unterwegs.

 

Solche Einsätze beschäftigen ihn natürlich schon – er könne das Erlebte aber gut verarbeiten, sagt er: „Das geht, weil ich zu den Menschen, die ich betreue, keine Bindung habe. Es ist bei uns ein Grundsatz, dass wir im eigenen Stadtteil bzw. bei Bekannten nicht eingesetzt werden und die Mütter in unserem Team keine Notfälle mit Kindern übernehmen.“ Im Jahr 2022 hatte das Team aus sieben Notfallseelsorger*innen, dem er angehört, drei bis vier Einsätze pro Woche. „Das war ganz schön viel“, sagt der Ehrenamtler. „Die Folgen der Coronapandemie auf die Psyche haben sich durch eine deutlich erhöhte Anzahl von Suiziden bemerkbar gemacht.“

„Es hört sich vielleicht komisch an, weil ich durch mein Ehrenamt so viel mit dem Tod zu tun habe, aber die Tätigkeit als Notfallseelsorger tut mir einfach gut“, erzählt der Targobanker. „Sie gibt mir viel zurück und erdet mich immer wieder.“ Abgesehen von seinen Einsätzen als Notfallseelsorger nutzt Jörn-Rainer Klimmeck seine freie Zeit aber natürlich auch einfach für sich privat, erledigt zum Beispiel Dinge, die sonst am Samstag oder Sonntag angestanden hätten. „Die Teilzeit ist ein Riesenmehrwert für mein Leben“, resümiert er. „So sind meine Wochenenden jetzt deutlich entspannter und an den anderen Tagen gehe ich motivierter und mit mehr Energie an meine Arbeit.“

Flexibilität und ein gut funktionierendes Team

Er erinnere sich noch genau, wie es war, als er 2017 seinem damaligen Vorgesetzten eröffnete, zukünftig in Teilzeit arbeiten zu wollen, erzählt der Targobanker. Eine Filialleitung in Teilzeit, und das auch noch als Mann, das habe schon durchaus zu Diskussionen geführt. Jörn-Rainer Klimmeck konnte seinen Vorgesetzten jedoch davon überzeugen und hat seitdem bewiesen, dass dieses Modell seinem Erfolg keinen Abbruch tut. Die beiden Punkte, die seiner Meinung nach ausschlaggebend dafür waren und sind, sind Flexibilität und ein fähiges und gut funktionierendes Team: „Hier möchte ich neben dem Team auch insbesondere meinem Abwesenheitsvertreter, Daniele Romani, danken, auf den ich mich voll und ganz verlassen kann.“

Ein eingespieltes Team: Filialleiter Jörn-Rainer Klimmeck und sein Abwesenheitsvertreter, Daniele Romani

 

„Natürlich bin ich als Filialleiter an meinem Teilzeit-Tag grundsätzlich telefonisch erreichbar und habe für Notfälle immer meinen Laptop mit zu Hause“, erklärt Jörn-Rainer Klimmeck. Auch das Flex-Arbeitszeitmodell sei eine große Hilfe – so sei er mit seinem freien Tag nicht mehr zwingend auf den Mittwoch beschränkt und könne tauschen, wenn an einem Mittwoch ein dringender beruflicher Termin ansteht. Insgesamt sei in der Bank in den letzten Jahren viel getan worden, um den Mitarbeitenden eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen, findet der Targobanker. Er betont: „Ich finde es toll, dass Teilzeitmodelle in unserem Unternehmen jetzt selbstverständlicher sind, als noch vor 6 Jahren. Heute muss niemand ein schlechtes Gewissen mehr haben, weil man(n) in Teilzeit arbeitet – auch männliche Führungskräfte nicht.“

Abschließend stellt er fest: „Ich habe eine perfekte Kombination aus den drei Bereichen, die mir wichtig sind, gefunden. Ich liebe meinen Job als Filialleiter bei der TARGOBANK, aber Zahlen sind eben nicht alles. Meine Tätigkeit als Notfallseelsorger macht mich dankbar dafür, wie gut es mir geht. Und ich habe noch genügend zusätzliche Freizeit, um im Garten zu arbeiten, zu backen, mit meinem Hund unterwegs zu sein, mich mit Freunden zu treffen oder mit meinem Mann etwas zu unternehmen, ohne den Druck zu haben, noch schnell irgendwelche dringenden Dinge erledigen zu müssen. Ich habe ganz einfach das Gefühl, intensiver zu leben.“

Redaktion: Ulli Höbel

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