Mithilfe des StaRUG sollen Unternehmen durch Abwendung einer sich abzeichnenden Insolvenzsituation saniert werden. Das heißt, durch entsprechende Vergleichsabschlüsse soll wieder Liquidität verschafft werden, um eine Insolvenz zu vermeiden.
Zweck dieses präventiven Restrukturierungsrahmens ist es, die Lücke zwischen „freien“ außerinsolvenzlichen Vergleichsverhandlungen und einer Sanierung über ein „förmliches“ Insolvenzverfahren zu schließen. Am Ende des Verfahrens steht ein sog. Restrukturierungsplan, der Sanierungsmaßnahmen und die Ergebnisse der Vergleichsverhandlungen verbindlich festhält. Wenn der Restrukturierungsplan durch eine (freiwillige) Einbindung des zuständigen Restrukturierungsgerichtes bestätigt wird, kann er auch gegenüber ablehnenden Gläubigern Wirkung entfalten (z. B. in Form von Stundungen oder auch Haircuts).
Dieser neue Weg zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten steht solchen Unternehmen offen, die noch nicht zahlungsunfähig sind, denen eine solche Situation aber „droht“. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren in der Lage sein wird, seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit mit den zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln zu decken. Eine Lücke kleiner als 10 % ist zulässig, bei einer Deckungslücke über 10 % liegt Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund vor.
Welche Vorteile bietet aus Ihrer Sicht das StaRUG im Vergleich zur klassischen Restrukturierung, zur Sanierung über das Insolvenzplanverfahren oder gar gegenüber der Insolvenz?
Es ist kein Insolvenzverfahren. Das oft befürchtete „Stigma der Insolvenz“ wird von vornherein umgangen. Praktisch werden durch die StaRUG-Szenarien sämtliche Verhandlungen mit den betroffenen Gläubigern beschleunigt. Insbesondere gilt dies, da eine für solche Verhandlungen in der Praxis regelmäßig notwendige Vollstreckungs- und Verwertungssperre (nur) für längstens 4 Monate gilt, wodurch sich ein „sportliches Zeitfenster“ für alle Verhandlungen ergibt. Da für die Annahme des Restrukturierungsplans eine 75 %ige Zustimmung der einbezogenen Gläubiger in den gebildeten Gläubigergruppen ausreicht, ist außerdem zu hoffen, dass einzelne blockierende Gläubiger leichter „einzufangen“ sein werden.
Trotz dieser auf den ersten Blick „verlockenden“ Vorteile glaube ich, dass in der Praxis Sanierungen durch Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren, aber auch sog. Regelinsolvenzen weiterhin nicht wesentlich an Bedeutung für die Sanierung von Unternehmen verlieren. Das StaRUG kann als zusätzliches Werkzeug in der Sanierungs-Toolbox der Berater bezeichnet werden.Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bietet gegenüber außerinsolvenzlichen Sanierungen beispielsweise den großen Vorteil, dass für bis zu drei Monate alle Löhne und Gehälter des zu sanierenden Unternehmens über das sog. Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit übernommen werden. An einer solchen (Liquiditäts-)Unterstützung fehlt es bei einer präventiven Restrukturierung im Rahmen des StaRUG, da es sich – wie dargelegt – eben um ein Verfahren ohne Insolvenzantrag handelt. Möglicherweise könnte dieses „Manko“ des StaRUG aber auch ein Vorteil für Factoringaktivitäten sein. Die Unternehmer könnten alternative Finanzierungsformen, wie beispielsweise Factoring oder Sale & Lease Back, in die Szenarienplanungen aufnehmen.
Es handelt sich um ein ausgesprochen beratungsintensives Verfahren, das vom Unternehmen ohne externe Liquiditätszufuhr zu stemmen ist. Ich rechne daher damit, dass sich zwar viele Unternehmer durch diese neue gesetzliche Möglichkeit mit tiefgreifenden Sanierungsmaßnahmen ihres Unternehmens beschäftigen. Letztlich werden zumindest aus dem Bereich des Mittelstandes kurzfristig aber wenige Fälle zu beobachten sein.
Im Wesentlichen wird es sich um finanzpolitische Sanierungen, z. B. fondsfinanzierter Unternehmen, handeln. Ob es gelingt, auch gut aufgestellte Unternehmen, die lediglich die Corona-bedingten Sonderbelastungen nicht stemmen können, über dieses Verfahren zu sanieren, bleibt abzuwarten.
Aus den diversen Stellungnahmen und Beratungsprotokollen seit dem ersten, zwar schnell – aber gleichzeitig auch qualitativ sehr hochwertig – erstellten Gesetzentwurf ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Ergebnis bewusst so gehandelt hat, dass von vielen Praktikern heute entbehrte Punkte, wie insbesondere die Möglichkeit zum Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse, keinen Eingang in den letztlich verabschiedeten Gesetzestext gefunden haben.
Abgesehen von kleinen Verweisen rechne ich somit nicht mit einer nennenswerten Nachbesserung des Gesetzes. Auch hier bleibt aber das Ergebnis der im Wesentlichen „intern“ stattfindenden Überarbeitung abzuwarten. Eine „Rolle rückwärts“ hin zu den in den ersten Beratungen noch enthaltenen umfangreicheren Sanierungsmöglichkeiten würde mich allerdings wundern.
Ich halte – nicht zuletzt bedingt durch die immer stärker werdenden Regularien, denen Bankfinanzierungen und Kreditprüfungen unterliegen – jedwede von mir immer als „alternative Finanzierung“ bezeichneten Liquiditätsgenerierungsmöglichkeiten für Unternehmen „nahe der Insolvenz“ für wichtig. Selbstverständlich spielt Factoring hier eine große Rolle. Denn im Gegensatz zu insolvenzrechtlichen Sanierungsverfahren findet hierbei keine liquiditätsmäßige Unterstützung des Sanierungsprozesses durch das sog. Insolvenzgeld über die Agenturen für Arbeit statt.
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber eine Regelung, nach der anfallende Umsatzsteuerverbindlichkeiten im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren nicht zu begleichen waren, gekippt hat (§ 55 Abs. 4 Satz 1 InsO). Damit dürfte der Liquiditätsbedarf in Sanierungssituationen noch steigen.
Für Factoring-Anbieter sind alle Sanierungen mit dem Ziel des langfristigen Erhalts des Unternehmens natürlich allein deshalb interessant, weil das Zahlungsverhalten der Endkunden und somit die Einbringlichkeit der vom Factoring erfassten Forderungen kalkulierbar bleibt.
Zur PersonDr. Hubertus Bartelheimer von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH berät vom Berliner Standort aus bundesweit Unternehmen und Unternehmer wirtschaftsrechtlich in Krisen ebenso wie Investoren beim Kauf aus der Insolvenz oder Krise. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Insolvenzverwaltung und seit 6 Jahren in der reinen Beratung in allen insolvenzrechtlichen Fragen. Seit 2001 ist er als Rechtsanwalt und seit 2009 als Fachanwalt für Insolvenzrecht tätig. Darüber hinaus ist er geprüfter ESUG-Berater (DIAI), was seine Erfahrung bei der Sanierung von Unternehmen (auch) mit Mitteln des Insolvenzrechts dokumentiert. 2020 wurde Dr. Hubertus Bartelheimer vom „Handelsblatt“ in der Kategorie „Deutschlands beste Anwälte“ ausgezeichnet (Rechtsgebiet: Restrukturierung und Insolvenzrecht). Mit verschiedenen Kollegen hat er selbst – in Form einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – am neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (kurz StaRUG) im Herbst vergangenen Jahres mitgewirkt. ➔ |
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