Was es mit der Inflation auf sich hat
Überall hört und liest man gerade von Inflation. In sechs Fragen und Antworten versuchen wir, das komplexe Thema Inflation etwas übersichtlicher zu gestalten.
Ob Butter, Brot oder Benzin: Fast alles ist 2022 deutlich teurer geworden als im Vorjahr. Objektiv gemessen wird das mit der Inflationsrate. Sie ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht – und das bereitet vielen Menschen große Sorgen. Wie ist diese Situation entstanden, welche Zusammenhänge gilt es zu verstehen – und was kann in dieser Situation überhaupt getan werden?
- Was bezeichnet man als Inflation?
Inflation beschreibt den Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in einem Wirtschaftsraum über einen bestimmten Zeitraum. Dabei wird eine sehr breite Palette von Preisen einbezogen, nicht nur die einzelner Produkte. Steigt die Inflation, ist damit auch eine Geldentwertung bzw. ein Kaufkraftverlust verbunden. Dieser Kaufkraftverlust kann durch Lohnerhöhungen ausgeglichen werden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, gibt die Entwicklung des sogenannten Reallohns an. Er bemisst sich durch die Lohnerhöhung minus Inflation. Bekommt man drei Prozent mehr Lohn, muss aber wegen der Inflation durchschnittlich fünf Prozent mehr für die Lebenshaltung ausgeben, ist der Reallohn um zwei Prozent gesunken. In dieser Konstellation werden die Haushalte von der Inflation belastet. „Es ist jedoch kein finanz- und wirtschaftspolitisches Ziel, Inflation absolut zu vermeiden“, so TARGOBANK Chefvolkswirt Otmar Lang. „Die Europäische Zentralbank peilt langfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an – da dies erfahrungsgemäß einen günstigen Rahmen für Wirtschaftswachstum und hohe Beschäftigung schafft.“
- Wie wird Inflation gemessen?
Um den durch die Inflation einsetzenden Kaufkraftverlust zu messen, beobachtet man, wie sich die Preise von Waren und Dienstleistungen in einem bestimmten Zeitraum entwickeln. Die Europäische Zentralbank nutzt zur Berechnung einen für den Euro-Raum festgelegten Verbraucherpreisindex. Er setzt sich aus unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen zusammen, einem sogenannten Warenkorb, der den durchschnittlichen Konsum der Haushalte abbilden soll. Kosten für Lebensmittel, Energie oder Kleidung fließen hier ebenso ein wie Restaurantbesuche, Handytarife oder Waschmittel. Aus den festgestellten Abweichungen aller verglichenen Preise kann schließlich die durchschnittliche Steigerungsrate in Prozentpunkten errechnet werden.
- Welche Ursachen für Inflation gibt es?
Bei der Entstehung von Inflation unterscheidet man vor allem nachfragebedingte (demand pull) und angebotsbedingte (cost push) Ursachen. Von ersterem spricht man, wenn die Verbrauchernachfrage deutlich höher ist als die Produktion. Bei einer angebotsbedingten Inflation hat es die Wirtschaft mit steigenden Kosten zu tun, die sie wiederum auf die Waren aufschlägt, um keinen Verlust zu erleiden. Solche Kostensteigerungen können Rohstoffe, Energie, Löhne oder auch Steuern betreffen. „Ein im 20. Jahrhundert populärer Erklärungsansatz, nach dem vor allem ein zu großes und zu schnelles Wachstum der Geldmenge – sinnbildlich durch massenhaftes Drucken von Banknoten – zur Inflation führe, wird heute kontrovers diskutiert,“ sagt Otmar Lang.
- Wodurch ist die gegenwärtige Inflation entstanden?
Für die seit Frühjahr 2022 stark angestiegene Inflationsrate ist vor allem das verringerte bzw. verteuerte Angebot fossiler Kraft- und Brennstoffe auf dem Weltmarkt in Folge des Ukrainekriegs als Ursache zu nennen. Es handelt sich damit um eine klassische Kostendruckinflation (cost push inflation). Neben Benzin, Diesel, Heizöl und Gas ist davon inzwischen auch der Strompreis betroffen. Da für den Bezugspreis von Elektrizität ein besonderes Preismodell, das sogenannte Merit-Order-Verfahren gilt, wird er nicht etwa nach den durchschnittlichen Produktionskosten berechnet, sondern nach der teuersten Stromerzeugungsart – in diesem Fall der Verstromung von Gas. Diese Preisgestaltung zielt darauf, langfristig günstige Stromerzeugung zu stärken, führt unter den derzeitigen Umständen aber zu enormen Ausschlägen nach oben. Deshalb kostet nicht nur das Tanken oder Heizen deutlich mehr, auch der Strom für Elektrogeräte, Beleuchtung oder Computer wird teurer. Dies ist jedoch nicht das einzige Problem: Da für die Herstellung nahezu aller Waren Energie nötig ist – und außerdem Waren und Vorprodukte oft über weite Entfernungen transportiert werden, schlagen sich diese Kosten praktisch in allen Wirtschaftsbereichen nieder.
Dieser akuten Teuerung ist bereits eine Phase spürbarer Preissteigerungen vorangegangen: Wegen diverser Corona-Lockdowns vor allem in Asien ist der internationale Warenverkehr immer noch gestört. Die Knappheit vieler Produkte hat die klassischen Knappheitspreise zur Folge gehabt. Dieses Phänomen bezeichnet man als Nachfrage-Sog-Inflation.
Auch die über lange Zeit sehr lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mit dem umfangreichen Anleiheaufkaufprogramm und niedrigem oder gar negativem Leitzins wird als Faktor der Inflation genannt. Es besteht unter Finanzexperten jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die hohen Preissteigerungen seit Frühjahr 2022 damit nicht erklären lassen. Im September 2022 hat die EZB den Leitzins deutlich angehoben.
- Wie lässt sich der aktuelle Preisdruck bekämpfen?
Da eine Inflation sehr verschiedene Ursachen haben kann, ist eine genaue Analyse die Voraussetzung für ein effektives Handeln. Oft können die Ursachen durch Regierungshandeln oder Instrumente einer Zentralbank kaum oder gar nicht verändert werden – dann geht es vor allem darum, die Folgen von Inflation zu mildern, wie es beispielsweise das Ziel von Entlastungspaketen der Bundesregierung ist. Als klassisches Instrument, die Inflation zu beeinflussen, gilt die Zinspolitik der Zentralbanken.
Preissteigerungen aufgrund von Lieferengpässe und Lücken bei der Energieversorgung kann eine Notenbank nicht ausgleichen. Dennoch heben die großen westlichen Notenbanken die Zinsen an.
„Aktuell sehen sie bei Inflationsraten von fast zehn Prozent die bis vor kurzem noch solide Verankerung der längerfristigen Inflationserwartungen erheblich gefährdet, sie fürchten den Start einer Lohn-Preis-Spirale,“ erläutert Dr. Otmar lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK ihre Logik. „Aufgrund hoher Inflationsraten könnten die Gewerkschaften entsprechend höhere Löhne durchsetzen. Dann träfe eine höhere Kaufkraft immer noch auf ein zu geringes Angebot. Infolgedessen würde sich eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.“ Einer solchen Entwicklung gilt es zuvor zu kommen – so hat zuletzt die EZB Anfang September 2022 eine deutliche Leitzinserhöhung beschlossen. Denn wenn die Zinsen steigen, verteuern sich die Kredite, auch Konsumentenkredite, was dazu beiträgt, die Nachfrage abzuschwächen. Eine sinkende Nachfrage würde, so die Erwartung, wiederum den Preisdruck dämpfen.“ Otmar Lang weiter: „Doch das Zinsschwert ist zweischneidig. Auf der Unternehmensseite bedingt eine Verteuerung der Kredite einem Rückgang der Investitionstätigkeit, was wiederum das Wirtschaftswachstum schwächt und sogar eine Rezession zur Folge haben kann. Hier müssen die Notenbanken also abwägen. Klar ist, dass die aktuelle angebotsbedingte Inflation sich durch das Instrument der Leitzinserhöhung nicht direkt, sondern nur indirekt beeinflussen lässt, und das auch nur mit möglicherweise großen Nebenwirkungen.“
- Welches Verbraucherverhalten ist jetzt sinnvoll?
Treiber der gegenwärtigen Inflation sind die hohen Energiepreise. Daher entlastet Energiesparen hier zum einen den Geldbeutel am direktesten, zum anderen wirkt eine rückläufige Nachfrage tendenziell auch steigenden Energiepreisen entgegen. Es ist also sinnvoll, nicht nur beim Heizen und Verbrauch von Warmwasser sparsam mit der Energie umzugehen, auch wenn man anstelle des Pkw öfter einmal das Fahrrad oder Bus und Bahn nutzt, senkt dies, wenn auch in sehr geringem Maße, die Nachfrage nach fossilen Energieträgern. Beim Kauf von neuen Elektrogeräten sollte die Energieeffizienz ein wichtiges Auswahlkriterium sein. Dem heute so wichtigen Klimaschutz dient dies außerdem.
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