Thema: Menschen | Datum: 21.11.2022

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Gut reagiert: Keine Chance für Trickbetrüger

„Wenn Sie nicht schnellstens bezahlen, kommt Ihr Kind ins Gefängnis“ – Betrüger schrecken vor nichts zurück: Wir berichten von zwei Fällen, in denen unsere Mitarbeitenden Kundinnen vor großen Schäden bewahrt haben.

„Auf den Enkeltrick reinfallen? Wird mir mit Sicherheit nie passieren!“ Das war bis vor kurzem die Reaktion von Marianne Müller (Name von der Redaktion geändert), wenn sie auf die Betrugsmasche und ihre vielen Varianten angesprochen wurde. Heute weiß sie, wie schnell man in einer solchen Situation den kühlen Kopf verlieren kann.

Ein verzweifelter Anruf der vermeintlichen Tochter

Am Vormittag klingelt das Festnetztelefon von Marianne Müller. Die Anruferin ist vollkommen aufgelöst und schluchzt: „Mama, ich habe ein Kind überfahren – es ist vor zwei Stunden gestorben.“ Weiter erzählt die Anruferin weinend, sie sei gerade beim Staatsanwalt, der eine hohe Kaution fordere, ansonsten käme sie sofort ins Gefängnis. „Ich habe nicht gemerkt, dass das gar nicht meine Tochter war“, sagt Marianne Müller im Nachhinein. „Wahrscheinlich war das eine Kombination aus dem Schock über diese furchtbare Nachricht und der Tatsache, dass ich die weinende Frau kaum verstehen konnte.“ Die angebliche Tochter will wissen, wie viel Geld Marianne Müller habe und ob sie den Betrag wohl noch durch Schmuck oder Gold aufstocken könne. Die sagt sofort zu, alles Geld von der Bank zu holen, das sie besitzt. In der Aufregung ist ihr auch gar nicht aufgefallen, dass ihre Tochter die Frage nach Schmuck oder Gold nie gestellt hätte, weil diese darüber Kenntnis hatte.

Dann übernimmt der angebliche Staatsanwalt das Telefonat und erzählte Frau Müller, dass ihre Tochter nicht nur den Unfall verschuldet, sondern auch noch Fahrerflucht begangen habe. Er will wissen, wie schnell sie das Geld besorgen könne. Marianne Müller, die nur daran denkt, wie verzweifelt ihre Tochter sein muss, erwidert „sofort“. Der Anrufer weist sie daraufhin an, den Hörer nicht auf-, sondern neben das Telefon zu legen. In der Bank dürfe sie außerdem nicht erzählen, was passiert sei, da die Geschichte nicht in die Presse gelangen solle.

Wichtig: Bei Verdacht nicht lockerlassen!

Zulaa Brendt hat ihre Kundin vor großem Schaden bewahrt. Dafür wird Marianne Müller ihr immer dankbar sein.

Marianne Müller fährt auf schnellstem Wege zur TARGOBANK Filiale in Erkelenz. Dort angekommen beauftragt sie die Filialleiterin Zulaa Brendt, ihr alles Geld auszuzahlen, das sie habe. Zulaa Brendt ist sofort klar, dass hier etwas nicht stimmen kann. Sie erinnert sich: „Frau Müller war total aufgelöst und fahrig, bisher kannte ich sie nur sehr entspannt und freundlich. Daher habe ich angefangen, vorsichtig nach dem Grund für den plötzlichen Geldbedarf zu fragen.“ Marianne Müller besteht jedoch darauf, nicht darüber sprechen zu wollen und weigert sich auch, die explizite Warnung der Targobankerin vor dieser Art von Betrugsmaschen anzunehmen. Deshalb entschließt sich Zulaa Brendt, die Polizei zu informieren und die Auszahlung des Betrags bis zu deren Eintreffen hinauszuzögern. „Die Zeit, bis die Polizisten eintrafen, war für uns beide Stress pur“, berichtet Zulaa Brendt heute. „Verständlich, dass bei Frau Müller die Nerven blank lagen und sie so schnell wie möglich mit dem Geld die Filiale verlassen wollte.“

„Ich dachte die ganze Zeit, unser schönes Leben ist vorbei, meine Tochter kommt ins Gefängnis“, ergänzt Marianne Müller. Dass sie Betrügern aufgesessen ist, glaubte sie damals auch den Polizisten erst, als diese bestätigen, dass ihre Tochter auf der Arbeit war und es ihr gut ging. Im Nachhinein sagt sie: „Keiner kann die Dankbarkeit nachvollziehen, die ich empfunden habe! Ganz allgemein dafür, dass alles gut gegangen ist und es meiner Familie gut geht. Und im Speziellen gegenüber Frau Brendt für ihren beispielhaften Umgang mit der Situation.“ Zulaa Brendt bestätigt: „Das war ein guter Tag für uns beide. Und er hat gezeigt, dass wir bei einem solchen Verdacht nicht lockerlassen dürfen, auch wenn die Betroffenen das in dem  Moment nicht möchten.“

Kein Einzelfall

Dirk Geffe, Vermögensberater bei der TARGOBANK in Köln

Dass solche Fälle gar nicht so selten vorkommen, bestätigt Vermögensberater Dirk Geffe. Auch eine seiner Kundinnen kam in die Filiale mit dem dringenden Anliegen, einen hohen fünfstelligen Betrag abzuheben. „Grundsätzlich hätte sie das tun können“, erinnert sich der Targobanker. „Sie wollte jedoch auf meine Nachfrage, wofür sie das Geld brauche, nicht antworten. Stattdessen wies sie mich durch Handzeichen darauf hin, dass sie nicht offen sprechen könne, weil sie durch einen laufenden Anruf auf ihrem Handy überwacht wurde.“ Bei Dirk Geffe schrillten die Alarmglocken. So sagte er der Kundin die Auszahlung laut zu und vereinbarte mit ihr per Zettel und Handzeichen, sich außerhalb des Büros, in dem sie ihr Handy zurückließ, zu unterhalten. Außer Hörweite des Telefons erzählte seine Kundin ihm eine ähnliche Geschichte wie die von Marianne Müller: Am Telefon sei ein Staatsanwalt, der ihr gerade erzählt hätte, ihre erwachsene Tochter hätte einen Autounfall mit Fahrerflucht verursacht. Wenn sie die Kaution nicht zahlen würde, käme ihre Tochter in U-Haft. Aufgrund der Schweigepflicht dürfe sie in der Bankfiliale nicht erzählen, wofür sie das Geld brauche. Und sie habe mit ihrer angeblichen Tochter gesprochen, die allerdings so aufgelöst war, dass sie kaum zu verstehen war…

Auch Dirk Geffes Kundin hatte zuvor von der Betrugsmasche gehört und war überzeugt gewesen, dass sie nie darauf reinfallen würde. „Deshalb können wir nicht oft genug davor warnen“, sagt Dirk Geffe. „Man sollte nie unterschätzen, was ein solcher Anruf in einem auslöst. Denn die Betrüger haben einen klaren Vorteil: Sie selbst sind auf alle möglichen Reaktionen vorbereitet, ihre Opfer rechnen aber in dem Moment nicht mit einem solchen Anruf.“

 

 

Ebenfalls weit verbreitet: Betrug per Whatsapp

Seit Mitte 2022 versuchen es Betrüger immer häufiger über WhatsApp: Sie geben sich als Kinder der Angeschriebenen aus und wollen sie zu einer Geldüberweisung überreden. Die Nachrichten starten oft mit „Hallo Mama“ oder Hallo Papa“. Die Betrüger täuschen einen angeblichen Diebstahl, Verlust oder Defekt des Smartphones vor und erklären damit die neue Telefonnummer, gerne auch verziert mit Emojis und Herzchen.

In den folgenden Textnachrichten bittet das vermeintliche Kind um finanzielle Hilfe. Es wird beispielsweise behauptet, auf dem neuen Smartphone sei noch kein Online-Banking eingerichtet. Man müsse aber dringend noch heute diverse Überweisungen tätigen. Deshalb werden Mama oder Papa gebeten, das Geld vorzustrecken und die Überweisung zu veranlassen, möglichst als Echtzeitüberweisung. Die Betrüger bekommen so einen zeitlichen Vorsprung, um das Geld vom extra eingerichteten Konto zu holen und weiter zu transferieren, oft ins Ausland. Eine Rückbuchung wird dadurch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht.

 

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