Am Anfang steht eine bemerkenswert krumme Zahl: 1.163,52 – mit diesem Wert startete am 1. Juli 1988 der neu geschaffene Deutsche Aktienindex, kurz DAX in die Börsenwelt. Dass keine runde Zahl die Geburtsstunde prägte, hängt damit zusammen, dass die Indexbasis von 1.000 Punkten bereits ein halbes Jahr zuvor, am 31. Dezember 1987, festgelegt wurde – orientiert an dem damals wichtigsten Aktienindex der Börsen-Zeitung.
Der in Frankfurt ansässigen Börsen-Zeitung ist auch die Idee zum DAX zu verdanken. Wie an allen Finanzplätzen der Welt wurden die wesentlichen Preisinformationen für Wertpapiere jahrzehntelang in den Kursteilen von speziellen Börsen-Publikationen wie dem Wall Street Journal oder eben der Börsen-Zeitung zusammengefasst. Daraus entwickelten sich weltweit die bekannten Aktien-Indizes wie der Nikkei-Index in Tokyo, der seit 1950 existiert, oder der Dow Jones-Index an der New Yorker Börse. Den gibt es bereits seit 1884.
Fit für die Börsen-Zukunft
In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war es dann an der Zeit, aus dem Index der Börsen-Zeitung einen Leitindex für die wichtigsten deutschen Börsenwerte zu entwickeln, der sich schließlich auch mit dem aufkommenden elektronischen Aktienhandel verknüpfen ließ. Während die Börsen-Zeitung – vor allem in Person ihres Redakteurs Frank Mella – das Konzept für den DAX entwickelte, ist sein „Eigentümer“, wenn man so will, die Deutsche Börse AG. Sie hat den DAX als Wort- und Bildmarke schützen lassen.
Von den 30 Aktienwerten, aus denen sich der DAX heute zusammensetzt, waren vor 30 Jahren bereits ein Dutzend dabei. Darunter die Papiere so bekannter Unternehmen wie BASF, Bayer, BMW, Henkel, Lufthansa, Siemens oder Volkswagen. In den ersten Jahren waren allerdings auch Unternehmen gelistet, auf deren Namen junge Leute heute nur mit einem Schulterzucken reagieren: Deutsche Babcock, Hoechst, Feldmühle Nobel, Mannesmann, Nixdorf, Veba oder Viag. Letztere haben sich zu E.On zusammengeschlossen und gehören immer noch dem DAX an.
Dem Index eine Gestalt geben
Große Aufmerksamkeit konnte der DAX gewinnen, weil es ihm gelungen ist, abstrakte Zahlen eindrucksvoll zu visualisieren – und damit einen Anknüpfungspunkt für Geschichten und Emotionen rund um die Aktien zu bieten. Die Erfolgsgeschichte des deutschen Leitindex’ wäre daher kaum vorstellbar ohne die riesige Anzeigetafel am Frankfurter Börsenparkett.
Drei Jahrzehnte DAX – das sind auch die Gesichter von Börsenjournalisten wie Friedhelm Busch, Frank Lehmann, Bernhard Jünemann oder Anja Kohl, die mit Erläuterungen, Analysen – und oftmals sehr phantasievollen, bildhaften Vergleichen immer wieder versuchen, das Börsengeschehen besser verständlich zu machen. Und auf keinen Fall darf man „Mr. DAX“ vergessen, den häufig abgebildeten Frankfurter Börsenhändler Dirk Müller, der buchstäblich das Gesicht der Frankfurter Börse und ihres Leitindexes wurde.
Bloß nicht alles auf eine Karte setzen
Ungefähr gleichzeitig mit der Einführung des DAX vor 30 Jahren trägt auch die damals noch junge Fernsehberichterstattung von der Börse allmählich zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit für die Analysen und Interviews vom Frankfurter „Parkett“ bei.
Mit dem kontinuierlichen Anstieg des DAX Ende der 90er Jahre nehmen das Interesse und die Begeisterung für Aktien in der Bevölkerung stark zu. Am Beispiel der T-Aktie mussten jedoch viele schmerzhaft lernen, dass es nicht ratsam ist, einen großen Teil seiner Anlage auf einen einzigen Wert zu setzen. So erzielte die T-Aktie, befeuert durch eine große Medienkampagne, sehr hohe Ausgabepreise und bald darauf einen Höchststand von über 100 Euro. Nach einem dramatischen Absturz rangiert das Papier in den letzten Jahren zwischen zehn und zwanzig Euro.
Börsenindizes – inzwischen auch als Fonds investierbar
Wer sein Investment hingegen breit streut, kann Verluste im Idealfall ausgleichen. Und inzwischen können Anleger von cleveren Produkten profitieren, die vor 30 Jahren in Deutschland noch gar nicht gehandelt wurden: Indexfonds, auch ETFs genannt, die genau die Zusammensetzung eines bestimmten Aktienindexes wie den DAX nachbilden.
Ein Investment, das sich in der Regel lohnt: Schließlich hat der DAX seit seiner Einführung rund um das Zehnfache zugelegt. Das entspricht einer jährlichen Rendite von über acht Prozent. Es muss ja nicht immer so rasant nach oben gehen wie am 13. Oktober 2008. Da verbuchte der DAX mit sagenhaften 11,4 Prozent seinen größten Tagesgewinn. Bei Börsenschluss standen damals 5.062,45 Punkte auf der Anzeigetafel – auch das war wieder eine bemerkenswert krumme Zahl.
„Kursschwankungen gehören zu Wertpapieren dazu“, weiß der Chefökonom der TARGOBANK, Otmar Lang. Anleger müssten sich aber von dem Gedanken verabschieden, dass sich wie früher mit Geld auf dem Spar- oder Tagesgeldkonto völlig risikolos Vermögen bilden lässt. Lang: „Wer Rendite will, muss ein Stück weit ins Risiko gehen, selbst wenn die Luft an den Anlagemärkten etwas dünner werden sollte.“ Zweifelsohne gebe es an den Börsen große Schwankungen, doch mit zunehmender Investitionsdauer würden die Risiken kleiner. „Wer vor zehn Jahren in den DAX investiert hat, kann sich heute über eine Gesamt-Performance von 76 Prozent oder einer Durchschnittsrendite von 5,8 Prozent pro Jahr freuen“, so Lang. „Von solchen Renditen können Tagesgeldsparer in Zeiten der Null-Zinspolitik nur träumen.“